Heyy,

ich bin M23 und offiziell bereits seit ein paar Jahren bei allen wichtigen Personen in meinem Leben als Schwul geouted.

Meine Coming Out Geschichte ist zum großenteil kompliziert und unschön, aber ich möchte darüber reden wie es meinen Eltern gesagt habe als ich 16 war.

Ich war mir lange nicht wirklich sicher ob ich jetzt Schwul oder doch vielleicht Bi bin, da ich schon manchmal das Gefühl hatte körperlich von Frauen angezogen zu sein. Das war aber sehr selektiv, also eine Frau aus 1000 type shit.

Deswegen hab ich meinen Eltern erstmal gesagt, dass ich Bi bin und ihre Reaktion "bedrückt" mich ein bisschen.

Mir ist bewusst, dass es viel viel schlimmere Reaktionen auf ein Coming out geben kann und das ich mich fast schon glücklich schätzen sollte, aber meine Eltern haben es einfach nur wahrgenommen und sowas wie "Kann uns doch egal sein, ist ja dein Leben" gesagt.

Ich sehe immer wieder Videos wo Eltern sowas sagen wie "Du bist trotzdem noch mein Sohn" oder "Wir lieben dich immer noch genau so" und dann werde ich immer ein bisschen traurig, dass meine Eltern sich gar nicht wirklich dafür interessieren und auch nicht checken, wie wichtig Liebe in so einer Situation ist.

Mittlerweile hab ich mit meinem Dad auch darüber gesprochen und er hat damals einfach nicht verstanden was ich hören wollte/musste. Ich glaub, dass ich sie damit auch etwas überrascht habe, da mich die meisten Leute nicht als Gay clocken würden.

aka ich bin halt nicht der Gay Stereotype, den es leider immer noch gibt.

Keine Ahnung ob der Post jetzt einen Mehrwert hat, aber ich wollte es einfach mal irgendwo erzählen wo man auch von anderen verstanden wird lol

  • Meine haben das genauso gesagt, fand ich eigentlich so beste outcome. Ich glaube, was dich bedrückt, ist, dass nicht viel Ergebnis daraus gekommen ist, das du vermutlich viel Mut dafür verwendet hast. Halt so nach dem Motto "war also verlorene Energie, mich davor zu fürchten".

    Vielleicht bisschen aus der Luft gegriffen, aber ja.

    Ja ich glaube da ist was dran. Man braucht so viel Mut etwas so persönliches von sich Preis zu geben und wenn dann nur so ein "Joa okay" kommt ist man ein bisschen enttäuscht darüber.

  • Ich verstehe dich. Ich bin jetzt 33 Jahre alt und war ungefähr 15, als ich meinen Eltern gesagt habe, dass ich Jungs mag. Es ist weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes passiert. Bis heute tun sie manchmal so, als wäre ich gar nicht schwul. Dabei sieht man es mir überhaupt nicht an. In den vergangenen Jahren hatte ich auch schon ernsthafte Beziehungen, und auch jetzt bin ich seit mehreren Jahren mit einem Mann zusammen. Diese doppelte Moral tut ein bisschen weh. Wenn ich eine Freundin oder eine Ehefrau hätte, wären wir sicher jedes Wochenende ständig zum Essen oder zu Feiertagen eingeladen. Manchmal frage ich mich, ob sie vielleicht den Nachbarn oder Verwandten gefallen wollen. Sie haben meinen Partner schon kennengelernt und wissen, dass wir zusammen sind. Inzwischen leben wir sogar in einem anderen Land. Ich musste akzeptieren, dass wir wahrscheinlich nie so enge familiäre Zusammenkünfte haben werden wie heterosexuelle Paare. Unsere Beziehung ist nicht schlecht, aber vielleicht sind sie auch beruhigt, dass wir ein paar hundert Kilometer entfernt leben und so sicher nichts für sie Unangenehmes passiert.

  • Ich kann dich da gut verstehen. Man wälzt sich nächtelang im Schlaf wie und wann man "es" den Eltern sagt. Und dann kommt ein laues Lüftchen. Da verpufft dann jede Energie.

    Eltern sind seltsame Wesen: viele haben eine sehr genaue Vorstellung wie sich ihre Kinder entwickeln sollen. Meist denken sie nur in die Richtung Mann+Frau, Heirat, Kind. Ein anderer Mann kommt da nicht in ihrer Welt vor.

    Vielleicht liegt ihr laue Reaktion auch daran, dass sie das gar nicht wahrhaben wollen. Wenn du nicht der "typische Schwule" bist (was auch immer das sein soll), haben sie noch Hoffnung, dass sich das ändern könnte.

    Was für dich ein jahrelanger Prozess war, können nicht alle Eltern an einen Tag verarbeiten. Sie brauchen ebenso ein "Coming Out für Eltern". Sowas dauert.

    Leider müssen wir Schwule uns frühzeitig damit abfinden, dass wir nicht immer die erhoffte Reaktion von unseren Eltern bekommen wie wir uns das wünschen. Leider müssen wir lernen, sich davon nicht abhängig zu machen.

    Viel Glück! 🍀♥️

  • Vielen Dank, dass du deine Erfahrung geteilt hast :-) Rückwirkend betrachtend würde ich mir auch bei meinen Eltern wünschen, dass sie positiv-aufmundernd und gefühlvoll reagiert hätten. Meine Erwartungshaltung war aber ohnehin eine ganz andere damals. Ich bin in einem kleinen, konservativen Dorf aufgewachsen und hatte Angst, dass sie es gar nicht akzeptieren, negativ reagieren etc. Stattdessen kam auf mein Coming-Out als Reaktion eine Art Achselzucken und Schweigen. Das war für mich damals okay und war damit zufrieden, weil ich viel schlimmere Sachen befürchtet hatte.

    Aber ja, in einer idealen Welt wäre es cool, seinen Kindern mit Liebe und offenen Armen zu begegnen.