(fragdenstaat.de)
Im März 2025 stand das Informationsfreiheitsgesetz vor dem Aus. Die Union wollte es abschaffen – ausgerechnet unter Federführung von Philipp Amthor, der selbst durch das IFG seine umstrittenen Nebentätigkeiten bei Augustus Intelligence offenlegen musste. Doch wir haben gemeinsam mit über 400.000 Menschen protestiert und am Ende gewonnen: Das IFG bleibt.
2025 war in Bezug auf die Informationsfreiheit für uns letztlich ein Jahr der Erfolge, aber auch der zähen Auseinandersetzungen. Wir haben Transparenz erkämpft, wo Behörden mauerten. 12 neue Verfahren haben wir in diesem Jahr auf den Weg gebracht. 11 ältere Verfahren konnten wir erfolgreich beenden oder in erster Instanz für uns entscheiden: In vier Fällen knickten die Behörden schon nach Klageerhebung ein, sodass sich die Verfahren erledigten. Sieben weitere gewannen wir durch ein Urteil in erster Instanz, wobei vier dieser Verfahren nun in Berufung gehen. Hier sind unsere Highlights.
Migration: Lagebericht und Familiennachzug
IFG-Anträge, die den Bereich Migration betreffen, scheitern häufig unter Verweis auf Sicherheitsbelange oder den Schutz internationaler Beziehungen. Im vergangenen Jahr konnten wir hier allerdings gleich mehrere Erfolge vor Gericht verzeichnen.
Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes sind eine zentrale Grundlage für Asylverfahren. Sie enthalten Einschätzungen zur Menschenrechtslage und zu Rückkehrbedingungen in Herkunftsstaaten. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch Verwaltungsgerichte stützen ihre Entscheidungen maßgeblich auf die Berichte. Bislang sind die vollständigen Berichte allerdings nur wenigen bekannt. Das Auswärtige Amt gibt sie auf Antrag zwar heraus, schwärzt aber die sensiblen Passagen. Gemeinsam mit PRO ASYL haben wir dagegen geklagt und dieses Jahr für die Lageberichte Nigeria und Iran in erster Instanz gewonnen. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte fest: Die Schwärzungen waren widersprüchlich. Dieselben Berichte werden in verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren ungeschwärzt herausgegeben. Es gibt keinen Grund, sie gegenüber der Öffentlichkeit unter Verschluss zu halten. Das Auswärtige Amt hat Berufung beantragt, weiter geht es also in der zweiten Instanz.
Ein EuGH-Urteil bestätigte 2022, dass die jahrelange deutsche Praxis beim Familiennachzug zu unbegleiteten Minderjährigen rechtswidrig war. Als die Linksfraktion mittels einer Kleinen Anfrage aufklären wollte, wie es zu dieser Fehleinschätzung kam, verweigerte die Bundesregierung wesentliche Auskünfte. Die Begründung: Der Schutz des „Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“.
Nachdem unsere IFG-Anfrage zur Herausgabe der internen Abstimmungsvermerke zu dieser Antwortverweigerung abgelehnt wurde, klagten wir. Das Verwaltungsgericht Berlin gab uns Recht und bestätigte, dass sich die Regierung bei abgeschlossenen Vorgängen nicht pauschal auf ihren geschützten Beratungsbereich berufen darf. Die durch das Urteil veröffentlichten Akten belegen nun, dass die rechtlichen Bedenken im federführenden Innenministerium (BMI) intern bekannt waren. Die Idee, die Antwort unter Verweis auf das Exekutivprivileg zu verweigern, stammte ursprünglich aus dem Wirtschaftsministerium. Die eigenen Fachleute für Parlamentsrecht im BMI meldeten jedoch früh Zweifel an und wiesen die Textentwürfe mehrfach als „nicht ausreichend“ zurück. Da es sich um abgeschlossene Vorgänge handelte, fehle eine tragfähige Begründung.
Dennoch hielt die Leitungsebene an der Verweigerung fest. Auch das Auswärtige Amt, das an der ursprünglichen Fehleinschätzung beteiligt war, blockierte die Aufklärung, lieferte zunächst keine Beiträge zu und stufte Anlagen als Verschlusssache ein. Das Verfahren zeigt: Die Bundesregierung entschied sich entgegen dem Rat der eigenen Fachabteilungen für Intransparenz, um eine detaillierte Aufarbeitung der rechtswidrigen Verwaltungspraxis gegenüber dem Parlament zu verhindern.
Klima, Kohle und Konzerne
Wenn es um Geld, Infrastruktur und die Interessen der Privatwirtschaft geht, muss der Informationszugang erfahrungsgemäß ebenfalls besonders hart erkämpft werden.
Ein Etappensieg gelang uns gemeinsam mit Finanzwende gegen die VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder). Die Rentenkasse für den öffentlichen Dienst investiert Milliarden, teils auch in klimaschädliche Industrien, wollte aber als „privatwirtschaftlich handelnde“ Stelle keine Auskunft geben. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stellte klar: Die VBL ist auskunftspflichtig und es handelt sich um Umweltinformationen. Auch wenn das Verfahren in der nächsten Instanz weitergeht, ist dies ein wichtiger Zwischenerfolg.
Auch bei der Verkehrsinfrastruktur mussten wir den Behörden die Informationen erst entreißen. Den umstrittenen Trassenvergleich für die ICE-Strecke Hannover-Hamburg veröffentlichte das Verkehrsministerium erst, nachdem wir Klage eingereicht hatten. Im Fall der Bundesstraße B247 wollte das Ministerium die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das ÖPP-Pilotprojekt (Öffentlich-Private-Partnerschaft) unter Verschluss halten. Wir haben geklagt und in erster Instanz gab uns das Gericht recht: Ob sich Privatisierungen für Steuerzahler*innen lohnen, ist kein Staatsgeheimnis, sondern eine Frage der öffentlichen Kontrolle.
In Baruth/Mark wollen die Getränkeriesen Red Bull und Rauch ihre Produktion massiv ausweiten – und das in einer Region, die bereits unter „Grundwasserstress“ leidet. Die Anwohner*innen sorgen sich zurecht: Wie viel Wasser wird den Konzernen zugesichert, während private Brunnen versiegen? Doch die Stadt verweigert den Einblick in die Übernahmeverträge und beruft sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Deshalb haben wir in diesem Jahr gemeinsam mit einer Betroffenen Klage eingereicht. Wir wollen offenlegen, zu welchen Konditionen unsere Ressourcen verkauft werden.
Erster Erfolg nach dem Sächsischen Transparenzgesetz
Vergangenes Jahr konnten wir unseren ersten Erfolg nach dem Sächsischen Transparenzgesetz verzeichnen. Sachsen hat das jüngste Transparenzgesetz unter den Bundesländern. Es trat erst im Januar 2023 in Kraft. Das Verwaltungsgericht Dresden entschied nach unserer Klage, dass das Sächsische Staatsarchiv eine transparenzpflichtige Stelle nach dem Sächsischen Transparenzgesetz ist und Informationen auf Antrag herausgeben muss. Auch wenn wir uns in der zweiten Instanz noch über Details streiten und das Sächsische Transparenzgesetz viele Schwachstellen hat, zeigt das Urteil, dass Transparenz im Grundsatz mittlerweile auch in Sachsen funktioniert.
Bundestransparenzgesetz: Viel Streit um ein Schnäppchen
Eigentlich hatte die Ampelregierung auch auf Bundesebene ein Transparenzgesetz in der letzten Legislaturperiode fest eingeplant, um das Informationsfreiheitsrecht grundlegend zu modernisieren. Auch wenn das Vorhaben am Ende scheiterte, existierten im Innenministerium bereits ein konkreter Referentenentwurf und beim Statistischen Bundesamt eine amtliche Kostenschätzung. Freiwillig herausgeben wollten die Behörden diese Unterlagen jedoch nicht.
Es bleibt ein Paradox dieses Jahres, dass wir erst Klage einreichen mussten, um den Entwurf für ein Transparenzgesetz (!) ans Licht zu holen. Nach Klageerhebung gaben das Ministerium und das Statistische Bundesamt die Dokumente schließlich heraus. Der Inhalt entkräftet dabei das Argument, mehr Transparenz sei nicht finanzierbar: Das Statistische Bundesamt kalkulierte für die Einführung lediglich einmalige Kosten von 12,8 Millionen Euro sowie 5,5 Millionen Euro jährlich. Ein überschaubarer Betrag. Bisher scheitert echte Transparenz also vor allem am Willen, nicht an den Kosten.
Vier Jahre Maskenaffäre – wir bleiben dran
Andrea Tandler machte mit Maskendeals während der Pandemie Millionen. Gemeinsam mit ihrem Partner kassierte sie 48 Millionen Euro Provision für einen 700-Millionen-Euro-Kauf. Die Masken waren nicht nur überteuert, sondern auch von schlechter Qualität.
Wir haben die Kommunikation zwischen dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn und Andrea Tandler angefragt. Was folgte, war ein Paradebeispiel für Verzögerungstaktik: Das Ministerium wechselte die Begründungen, brachte zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung neue Argumente, spielte auf Zeit. Das Verwaltungsgericht Köln gab uns schließlich teilweise recht. Beide Seiten haben Berufung beantragt, das Verfahren geht also vor dem Oberverwaltungsgericht NRW weiter. Manche Fälle brauchen einen langen Atem. Wir haben ihn.
Dieses Jahr hat uns gezeigt: Die Informationsfreiheit in Deutschland ist nicht selbstverständlich. Sie muss jeden Tag erkämpft werden – vor Gericht, in der Öffentlichkeit und in den Amtsstuben der Republik. Wir schauen genau hin und klagen weiter, wo es nötig ist.
erledigt nach Klageeinreichung (4)
- Entwurf Bundestransparenzgesetz der Ampel-Koalition
- Kostenfolgenschätzung zur Einführung eines Bundestransparenzgesetz
- Unterlagen zur Auflösung von Protesten gegen die Auflösung des CSD Schönebeck
- Trassenvergleich ICE-Strecke Hannover-Hamburg
1. Instanz gewonnen (3)
- Interne Kommunikation der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage bzgl. Familiennachzug
- Anwendungsbereich Sächsisches Transparenzgesetz
- Verträge zwischen der JVA Hahnöfersand und dem Telekommunikationsdienstleister Telio
1. Instanz gewonnen & in Berufung (3)
- Investmentportfolio der VBL (Versorgunsgsanstalt des Bundes und der Länder)
- Ungeschwärzte Herausgabe der Lageberichte des Auswärtigen Amts zu Nigeria und Iran
- Wirtschaftlichkeitsprüfung Bundesstraße B247
1. Instanz teilweise gewonnen & in Berufung (1)
- Kommunikation Gesundheistminister Jens Spahn mit Andrea Tandler
verloren (1)
Die Unterlagen zum Trassenvergleich der ICE-Strecke Hannover-Hamburg wurden durch das Verkehrsministerium veröffentlicht: