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Die Bahn ordert mehr als 3000 neue Busse, auch von China-Hersteller BYD. Kritiker befürchten, Chinas Regierung könnten die Fahrzeuge lahmlegen. Analyse.

561 Millionen Bus-Fahrgäste hat die Deutsche Bahn im Jahr. Rund 1,5 Millionen Menschen sind täglich mit der hundertprozentigen Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio unterwegs. Bald werden sie vermehrt in chinesischen Bussen sitzen. Das liegt an einem DB-Deal mit dem chinesischen Hersteller BYD, der in der deutschen Politik für Kritik sorgt. Die Rede ist von chinesischer Fernsteuerung und dem „Abschalten ganzer Flotten aus der Ferne“. Was steckt dahinter?

Deutsche Bahn Busse Bussflotte BYD China Schienenersatzverkehr

Neue DB Busse kommen in Zukunft nicht mehr nur vom deutschen Hersteller MAN, sondern auch vom chinesischen Unternehmen BYD. © IMAGO / Manfred Segerer/Bonn.digital

Wie die DB vor einigen Tagen mitteilte, bestellt sie für die nächsten Jahre mehr als 3300 neue Busse. Hauptlieferant ist der Münchner Hersteller MAN, von ihm sollen 95 Prozent der Bestellung kommen. Der Rest kommt von einem chinesischen Fahrzeugbauer: „Eine kleinere Flotte von E-Überlandbussen liefert der chinesische Hersteller BYD aus seiner Produktion in Ungarn“, teilte die Bahn mit. Demnach handelt es sich um knapp 200 Busse, die in den Jahren 2027 bis 2032 ausgeliefert werden sollen.

Chinesische Busse ferngesteuert? Beispiel aus Norwegen alarmiert deutsche Politik

Die Entscheidung, Busse von BYD zu kaufen, werfe Fragen auf, sagt der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. „Zum Beispiel die, ob sicherheitspolitische Aspekte bei Ausschreibung und letztlich stattgefundener Auswahl des Anbieters in angemessenem Maße Berücksichtigung gefunden haben.“

Von Notz ist stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht. Der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media sagte er, es gebe „extrem deutliche Warnungen der Spitzen unserer Nachrichtendienste vor dem äußerst strategischen Agieren der chinesischen Staatsführung, gerade in der Wirtschaftspolitik“. Daher müsse zweifelsfrei sichergestellt werden, dass im Fall der Fälle „eine weitreichende Manipulation kritischer Verkehrsinfrastruktur und das Abschalten ganzer Flotten aus der Ferne glasklar ausgeschlossen werden können“.

Grund für solche Sorgen sind unter anderem Meldungen aus Oslo. Die norwegische Hauptstadt setzt bei ihren Bussen auf Anbieter aus den Niederlanden sowie auf den Hersteller Yutong aus China und hatte die Fahrzeuge vor Kurzem untersuchen lassen. Bei den niederländischen Bussen habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Bei den chinesischen sei hingegen festgestellt worden, dass „dieser Bus vom Hersteller gestoppt oder unbrauchbar gemacht werden“ könnte. Zumindest theoretisch. Passiert ist bislang nichts. Und auch in Deutschland, wo bereits seit 2021 chinesische Busse im Einsatz sind, gab es bislang keine Zwischenfälle. Nach unseren Informationen sind hierzulande bereits rund 50 BYD-Busse in Betrieb.

Technisch sei es möglich, einen Bus aus der Ferne lahmzulegen, sagte der Informatiker und Sicherheitsexperte Sahin Albayrak von der TU Berlin unserer Redaktion. „Aktuelle Busse sind sehr modern“, so Albayrak. So werde der Fahrer eines Busses von mehreren Assistenzsystemen unterstützt, die über einen Steuerungsrechner laufen. „Diese Systeme sind softwarebasiert und müssen regelmäßig gewartet werden, um Fehler zu beheben oder neue Softwareversionen zu installieren. All diese Wartungsarbeiten werden ‚over-the-air‘ durchgeführt, das heißt, der Hersteller hat aus der Ferne Zugriff auf die Busse.“

Die Bahn hingegen sieht „keinen Anlass zur Annahme, dass diese Fahrzeuge ‚lahmgelegt‘ werden können“: „Die Busse erfüllen alle geltenden Zulassungs- und Sicherheitsanforderungen, um diese in Deutschland betreiben zu können“, so das Unternehmen. BYD erklärte auf Anfrage, das Unternehmen „verfügt nicht über die Möglichkeit, Fahrzeuge fernzusteuern“. Zwar könnten Over-the-Air-Updates für die Fahrzeugsoftware durchgeführt werden. Aber: „Dieser Vorgang wird streng gemäß der Verordnung R156 durchgeführt und erfordert vor der Ausführung die Zustimmung des Kunden.“ Die Verordnung R156 beschreibt Voraussetzungen zum Update von Software in Steuergeräten von Fahrzeugen.

„Sehr kritisch“: Bahn-Deal mit China-Hersteller BYD sorgt für Aufsehen

Chinesische Privatunternehmen sind auf dem Papier zwar unabhängig vom Staat, unterstehen letztendlich aber der Kontrolle der Kommunistischen Partei, deren Vertreter in praktisch allen großen chinesischen Unternehmen sitzen und Einfluss auf wichtige Entscheidungen nehmen können.

„Sehr kritisch“ sieht den Deal auch der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und sagte unserer Redaktion, es seien „erhebliche Sicherheitsrisiken bei chinesischen Herstellern und die Anfälligkeit für Spionage und Sabotage bei chinesischen Fahrzeugen bekannt“. Deshalb sehe er „auch andere Fahrzeuge chinesischer Hersteller aus sicherheitspolitischer Perspektive grundsätzlich kritisch“. Der ÖPNV sei „Teil kritischer Dienstleistungen und Infrastruktur“ und müsse besonders geschützt werden. „Wirtschaftspolitisch wäre es klug, solche Aufträge an deutsche oder europäische Fahrzeugbauer zu vergeben.“

Kritik kommt auch von der SPD. Die DB müsse die heimische Wirtschaft stärken, sagte uns die verkehrspolitische Sprecherin der Partei, Isabel Cademartori. „Darüber hinaus darf der Sicherheitsaspekt bei der Beschaffung von Fahrzeugen mit digitaler und vernetzter Technik nicht unterschätzt werden“, so Cademartori. „Gerade bei kritischer Infrastruktur wie dem öffentlichen Personennahverkehr müssen Fragen der IT- und Datensicherheit künftig eine deutlich stärkere Rolle in Ausschreibungsverfahren spielen.“

BYD ist das einzige chinesische Unternehmen, bei dem die Bahn bislang Busse bestellt hat. Die DB hat allerdings „nachrangige Rahmenverträge“ mit anderen Unternehmen geschlossen, unter anderem mit dem chinesischen Omnibushersteller Zhongtong. Diese Verträge gibt es, „damit auch dann genügend Fahrzeuge zur Verfügung stehen, wenn ein Hauptvertragspartner nicht liefern kann“, erklärt ein Konzernsprecher.

Deutsche Bahn verteidigt Bus-Deal: „Keinen Anlass, dass sie lahmgelegt werden können“

Bei der Bestellung habe die DB „großen Wert auf hohe Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus gelegt“, heißt es. „Neben den Anschaffungskosten wurden Energieverbrauch, Instandhaltungsaufwand und weitere Qualitätskriterien betrachtet.“ Hier hat BYD offenbar gepunktet. „Bezüglich einer kleineren Flotte von E-Überlandbussen hat sich das Angebot von BYD auf Basis der beschriebenen Bewertung im Wettbewerb durchgesetzt.“

Insgesamt kostet die Bestellung von rund 3300 Bussen laut DB-Angaben mehr als eine Milliarde Euro. Wie viel die Busse bei MAN und wie viel bei BYD kosten, sagt das Unternehmen „aufgrund des Geheimwettbewerbs“ nicht. „Wir wissen, dass wir gegenüber chinesischen Firmen bezüglich sensibler Technologien vorsichtig sein müssen“, sagte uns Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen. Es gebe deutsche und europäische Hersteller mit guten Produkten. „Wenn nicht dort gekauft wird, so braucht es gute Argumente. Der Kaufpreis alleine ist kein überzeugendes Argument.“

Die Linke schlägt derweil in eine andere Kerbe. „Die Kritik an der Bestellung chinesischer Busse durch die Deutsche Bahn ist heuchlerisch“, sagte Verkehrssprecher Luigi Pantisano unserer Redaktion. „Die Deutsche Bahn wird gezwungen, bei ausländischen Herstellern zu kaufen, weil die Bundesregierung es versäumt hat, eine wettbewerbsfähige Mobilitätsindustrie in Deutschland aufzubauen.“ Deutschland müsse „endlich in die Produktion von E-Bussen, Zügen und E-Autos investieren“, sagt Pantisano. „Nur damit sichert man dauerhaft Arbeitsplätze und die Deutsche Bahn müsste nicht in China bestellen.“

Für Fahrgäste soll sich der Deal mit MAN und BYD indes lohnen. Die Bahn verspricht mehr Komfort für die Gäste. Alle Busse bieten der DB zufolge USB-Anschlüsse an den Sitzen, sodass Fahrgäste unterwegs ihre Handys und Smartphones laden können. Speziell gepolsterte Sitze sollen für Komfort bei Fahrten über Land sorgen. (Quellen: Deutsche Bahn, BYD, CDU, SPD, Grüne, Linke, Sahin Albayrak).