Herr Koopmans, hat die Bundesregierung die von ihr angekündigte „Migrationswende“ vollzogen?

Ja, man kann in einem bestimmten Ausmaß schon von einer Migrationswende sprechen. Es hat die Ausweitung der Grenzkontrollen gegeben, insbesondere auch die Zurückweisung von Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen. Die Zahlen der Asylbewerber sind stark zurückgegangen, es liegt auf der Hand, dass die Grenzkontrollen dabei mindestens eine Rolle spielen. Zugleich ist das zu wenig, unter Migrationswende verstehe ich eigentlich mehr. Strukturelle Maßnahmen fehlen noch, die muss die Regierung jetzt dringend angehen.

Wie bewerten Sie die jüngsten europäischen Beschlüsse zur Migrationspolitik?

Auf europäischer Ebene ist tatsächlich etwas passiert. Die Änderung der deutschen Position war dabei wirklich entscheidend(...)In der letzten Entscheidung auf europäischer Ebene wurde beschlossen, dass es Rückführungs-Hubs in sicheren Drittstaaten geben soll – Orte, wo Leute hingebracht werden können, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Das ist ganz wichtig für die Erfolgschancen der geplanten Grenzzentren, wo Menschen aus Ländern mit sehr geringen Anerkennungsquoten unter 20 Prozent untergebracht werden sollen.(...)

Die meisten Menschen mit Asylgesuchen kommen allerdings aus Ländern mit hohen Anerkennungsquoten, sodass GEAS hier wenig ausrichtet, oder?

Tatsächlich ist diese Gruppe entscheidend, um Europa von dem hohen Zuwanderungsdruck zu entlasten. Ein wirksames Mittel wäre, dass Menschen auch aus Ländern mit höheren Anerkennungsquoten ihr Asylverfahren erst einmal in Drittstaaten durchlaufen. Ein Teil derer, die anerkannt werden, könnte dann in die EU aufgenommen werden(...)

(...)

Neben der Bekämpfung illegaler Migration gibt es auch eine Debatte darüber, ob legale Zuwanderungswege, wie etwa der Familiennachzug, begrenzt werden müssten. Was meinen Sie?

Wenn man es schafft, durch diese Reformen die primäre, direkte Migration von Asylsuchenden in die EU zu reduzieren, dann reduziert man auch die Nachfolgemigration, etwa von Familienmigranten. Die neue Regierung hat eine Änderung vorgenommen: Sie hat die Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte völlig gestoppt. Ein Problem sehe ich bei der Einbürgerung. Diese Begrenzung der Familienzusammenführung gilt nur für subsidiär Schutzberechtigte, solange sie noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Durch die Reform der Bundesregierung wurde zwar die Turboeinbürgerung nach drei Jahren gekippt, aber die Regeleinbürgerung nach fünf Jahren – auch für Menschen, die als Flüchtlinge gekommen sind – ist geblieben. Diese schnelle Einbürgerung kann man auf Dauer als demografische Zeitbombe betrachten.

Was meinen Sie damit?

Wir haben nahezu eine Million syrische Flüchtlinge in Deutschland. Es ist notwendig, sich Gedanken zu machen, welche Konsequenzen das für die Zukunft hat. Diese eine Million Menschen hat eine große Überrepräsentation von Männern. Sie werden ihre Heiratspartner größtenteils im Herkunftsland suchen. Das ist deswegen äußerst wahrscheinlich, weil in diesen Ländern üblicherweise innerhalb von Großfamilien geheiratet wird. Heirat ist in diesen Gesellschaften auch ein ökonomisches Geschäft zwischen Familien, und das Ticket nach Europa ist ein wichtiges Tauschmittel. Wir brauchen nur auf die Vergangenheit zu schauen: Wie stark ist die Population der Gastarbeiter aus der Türkei oder aus Marokko durch Familienzusammenführung und Fortpflanzung über die Zeit gewachsen? Von 1973, dem Jahr des Anwerbestopps, bis heute hat sich diese Gruppe zahlenmäßig versechs- bis versiebenfacht. Wenn wir das Gleiche für die Syrer annehmen – und es gibt keinen Grund, das nicht anzunehmen –, dann haben wir in 50 Jahren sieben Millionen Syrer oder syrischstämmige Bürger in Deutschland. Und ich rede nur von den Syrern, aber das Gleiche gilt für Menschen aus Afghanistan, dem Irak, Somalia und so weiter.

Was folgern Sie aus dieser Beschreibung?

Man muss darüber nachdenken, ob man Flüchtlingen so schnell Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit bieten sollte. Wenn sie deutsche Staatsangehörige sind, gibt es keine Begrenzung für Familienmigration. Dann ist jede Möglichkeit, diese Migrationsströme noch zu steuern, vergangen. Das ist eine dramatische Perspektive. Ich finde, man muss auch normativ und moralisch darüber nachdenken, ob das der Sinn der Sache ist. Ist das der Sinn des internationalen Flüchtlingsrechts, derart in die Bevölkerungsentwicklung eines Landes einzugreifen? Die Idee des Flüchtlingsschutzes ist, dass Menschen Schutz geboten wird, solange die Schutzgründe vorliegen. Wenn das nach zehn Jahren immer noch der Fall ist, muss man irgendwann sagen: Okay, die Leute sind jetzt so lange hier, dass wir ihnen eine dauerhafte Perspektive bieten müssen. Aber dies schon nach fünf Jahren zu tun, halte ich für falsch.

(...)

Deutschland hat auch ein massives Integrationsproblem. Ohne diese Defizite gäbe es bestimmte Probleme nicht. Was läuft falsch?

Diese Probleme, sowohl was Integration in den Arbeitsmarkt als auch hohe Kriminalität betrifft, betreffen ganz bestimmte Zuwanderergruppen. Sie sind ein Ergebnis davon, dass wir keine wirklich gesteuerte Migration haben. Es ist nicht so, dass alle Zuwanderer in den Kriminalitätsstatistiken stark überrepräsentiert sind. Viele Migranten in Deutschland kommen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Diese sind in den Kriminalitätsstatistiken nicht wesentlich überrepräsentiert. Was die Arbeitsmarktbeteiligung anbelangt, sind Migranten aus anderen Mitgliedstaaten sogar besser gestellt als die Durchschnittsbevölkerung. Diese innereuropäische Migration – man kann die Ukraine mit einschließen – ist völlig unproblematisch und sogar positiv, demografisch gesehen wie auch für die Wirtschaft. Es ist genau diese unregulierte Asylmigration, die problematisch ist. Menschen fliehen nicht umsonst – entweder weil ihre Länder wirtschaftlich dysfunktional sind, weil Krieg herrscht oder weil Unterdrückung herrscht. Das sind dysfunktionale Staaten, und die Menschen, die aus diesen Staaten kommen, verfügen meistens nicht über die Ausbildung, die Kenntnisse und die Erfahrungen, die nötig sind, um erfolgreich auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu sein. Das erklärt, warum diese Gruppen so stark in den Sozialhilfestatistiken überrepräsentiert sind.

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  • “Durch die Reform der Bundesregierung wurde zwar die Turboeinbürgerung nach drei Jahren gekippt, aber die Regeleinbürgerung nach fünf Jahren – auch für Menschen, die als Flüchtlinge gekommen sind – ist geblieben. Diese schnelle Einbürgerung kann man auf Dauer als demografische Zeitbombe betrachten.”

    Nur anerkannte Asyl-Gründe können zu einer Einbürgerung führen, aktuell werden nur ca. 25% der Anträge positiv beschieden. Dann kommt dazu, dass der Lebensunterhalt selbstständig gesichert sein muss etc. - das reduziert die Zahl nochmal.

    Ich würde die Hürden hier auch noch höher setzen, z.B. indem Sprache und weitere integrations-Aspekte strenger geprüft werden. Aber ich würde die Tür hier nicht komplett zuschlagen

    Du meinst 25% der Anträge von anerkannten Asylanten auf Staatsbürgerschaft werden angenommen? Gibt es dazu eine Statistik? Die Zahl konnte ich nicht finden, oder meinst du etwas anderes?

    Ne ich meinte von 100 Anträgen auf Asyl werden nur 25 akzeptiert (positiv beschieden), der Rest wird abgelehnt. Die abgelehnten Personen können meines Erachtens nach nicht eingebürgert werden

    Dann verstehe ich deinen Punkt nicht so ganz, da es im Text eher um die Demographische Zeitbombe geht, die wir uns hier geschaffen haben, und die auch von Dingen wie Familiennachzug, Einbürgerungen etc abhängt. Wie spielt die Akzeptanzquote von Asylanträgen da rein? Zumal sie je nach Land naturgemäß extrem unterschiedlich ist

    Naja weil die abgelehnten auch bleiben. Dann hast du von 1 Mio Syrern nur noch 250k, die für eine Einbürgerung in Frage kommen. Das ist schon ein Unterschied.

  • Immer witzig wenn sie bei Koopmans unterschlagen, dass er im Gegenzug dafür ist Flüchtende direkt per Flugzeug einzufliegen. Es soll nämlich nicht nur der Asylantrag stellen können, der es zufällig bis zur deutschen Grenze schafft.

    Bin jedoch in vielen Punkten seiner Meinung. Ich persönlich finde es auch unnötig Menschen die einen Status als Geflüchtete oder Asyl haben die deutsche Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Das sollte erst gehen wenn du auch ein dauerhaftes Bleiberecht hast.

    Aber ohne dauerhaftes Bleiberecht gibt es auch keine Staatsbürgerschaft, dachte ich zumindest

    Dachte ich wie gesagt auch. Die Frage ist ja ab wann du nach einem positiven Asylbescheid ein dauerhaftes Bleiberecht bekommst. Das weiß ich ehrlich nicht.

    Wenn dann die akzeptanzquote bei 0.00000001% liegt (also nur die, die tatsächlich auch Flüchtlinge sind, wie es in unseren Gesetzen steht), und der Rest gar nicht erst einen Fuß über die Grenze setzt, bin ich da voll dabei

    Du missverstehst ihn. Koopmans ist gegen Dublin. Er meint, Deutschland sollte aktiv seine moralische Pflicht tun und Menschen aus zB Syrien, Somalia und Afghanistan abholen. Nix mit „Antrag muss im ersten sicheren Staat gestellt werden.“

  • So sehr ich Koopmans und seine Ideen auch schätze: Die sanfte Landung, die er sich herbeisehnt, wird es nicht geben. Ob wir nun nach fünf oder zehn Jahren einbürgern, sagt doch nichts über den Erfolg der Integration aus. Und was bedeutet dieses Wort überhaupt? Es bedeutet, wie Ahmad Mansour so schön gesagt hat, mehr als nur „Arbeit plus Sprache minus Kriminalität“.

    Wir beschäftigen uns immer noch mit Integrationsproblemen der Gastarbeitergeneration und holen massenhaft Menschen ins Land, die aus weitaus archaischeren Gesellschaften kommen. Ich erinnere hierbei an die Spannungen zwischen Syrern und Türken in der Türkei, weshalb selbst Erdoğan unter starken Druck geraten ist. Das ist nicht nur eine demografische, sondern vor allem eine politische Zeitbombe. Ein Blick nach England reicht: Selbst der britische PM Keir Starmer hat sein eigenes Land als „Insel der Fremden“ bezeichnet.

    Außerdem finde ich es etwas zynisch, die ukrainische Migration als „positiv“ zu bezeichnen. Das mag für unsere Wirtschaft gut sein, aber was ist bitte mit der Ukraine? Wer soll das Land denn wieder aufbauen? Die Ukrainer signalisieren ja jetzt schon, dass sie auch nach dem Krieg bleiben werden.

    Es kommen äußerst düstere Zeiten auf uns zu.

  • WIE VIELE MILLIONEN?!? :D

  • Bitte postet das noch fünf Mal, nicht das es irgendjemandem entgeht