Hi!
Ich bin aktuell mit einem Fall in meinem privaten Umfeld konfrontiert, bei dem ich mir hier einfach Mal eine Einschätzung von euch holen wollte.
Mein Vater hat einen ehemaligen Arbeitskollegen (nenne wir ihn Jürgen) bei dem er seit dieser im Ruhestand ist regelmäßig vorbeischaut (beide sind auch in der gleichen Gehörlosen Community und dementsprechend schwerbehindert) und für ihn ein paar Einkäufe erledigt etc, da dieser keine Angehörigen (außer einer Nichte) mehr hat, allein lebt und keinen Führerschein besitzt. Jürgen ist leider auch nicht besonders eigenständig, kann nicht richtig lesen und schreiben und versteht in der Kommunikation nicht immer alles. Mittlerweile lebt er allein, hat aber sein Leben lang mit seiner Mutter (die hören konnte) zusammengelebt, weshalb er sich auch nie um Papierkram etc kümmern musste.
Anfang des Jahres hat mich mein Vater um Hilfe gebeten, da Jürgen verschwunden war. Nach einigen Telefonaten habe ich herausfinden können, dass er etwas weiter weg im Krankenhaus lag aber alles soweit normal war. Jetzt hat mich mein Vater wieder wegen Jürgen angesprochen und mir eine erschreckende Entwicklung offenbart: Im Krankenhaus (bei Marburg) muss er von einer Dolmetscherin betreut worden sein, die sich dann seiner "angenommen" hat über die folgenden Monate. Bei seinem letzten Besuch bei Jürgen im späten November wollte Jürgen mit meinem Vater Geld abheben geben, doch das ging nicht. Mein Vater war bereits vorher skeptisch, da Jürgen schon häufiger von der Dolmetscherin erzählt hatte und, dass sie ihn jetzt betreuen würde. Sie sind in die Kreisfiliale der Sparkasse und haben Mal Kontoauszüge geholt und dabei ist mein Vater fast umgefallen.
Die selbsternannte Betreuerin hat Jürgen seit März über 120.000€ gestohlen, das Geld für Amazon Bestellungen an ihre Adresse ausgegeben, Klarna Schulden beglichen, Geld an Dritte überwiesen und knapp 80.000€ in einem amerikanischen Immobilienfonds eingezahlt. Sie hat Jürgen alle Vollmachten unterschreiben lassen, die er meinem Vater gezeigt hat. Zudem hat sie ein neues Testament geschrieben, in dem sie sich und Jürgens Nichte zu gleichen Teilen als Erbinnen einsetzt und in dem steht, dass das Erbe bereits zu seinen Lebzeiten ausgezahlt werden soll (solange sie sich kümmern). Ich bin auch in Kontakt mit der Nichte, sie weiß von alldem nichts (glaubhaft). Es gibt zudem kein richtiges Betreuungsverfahren für ihn soweit ich weiß, die Frau hat sich einfach alle relevanten Vollmachten von ihm geben lassen.
Mein Vater wollte jetzt mit Jürgen zur Rechtsberatung, nachdem ich ihm gesagt habe, dass man den Mann nicht einfach so dem Betrug überlassen kann. Leider war er nicht Zuhause anzutreffen und mein Vater und die Nichte haben sich von der Nachbarin einen Ersatzschlüssel geben lassen um nachzusehen, ob ihm ggf was passiert ist.
Im Anschluss haben mein Vater (der von allen Dokumenten Fotos gemacht hat) und ich eine Mappe mit unseren Erkenntnissen zusammengestellt, der Polizei übergeben und Strafanzeige gegen die Betreuerin gestellt. Mittlerweile hat auch das Amtsgericht nochmal um die Mappe gebeten.
Gestern kam jetzt eine Anzeige gegen meinen Vater wegen Hausfriedensbruchs bei uns an, von dem Tag als Jürgen verschwunden war (bzw mittlerweile 14 Tage später immer noch verschwunden ist) und mein Vater und die Nichte nachgesehen haben. Dabei stimmt das Datum zwar, aber die Uhrzeit ist total falsch und wir fragen uns auch, woher die Betreuerin (sie wird ja wahrscheinlich die Anzeige gestellt haben) überhaupt weiß, dass mein Vater und die Nichte an dem Tag ins Haus geschaut haben.
Meine Frage jetzt: Wie sollen wir auf die Anzeige reagieren? Und habt ihr generell noch Einschätzungen zu dem geschilderten Fall? Ich habe leider (oder zum Glück) zum ersten Mal etwas damit zu tun und fühle mich auch ein bisschen überwältigt davon, auch wenn ich versuche meinen Vater so gut ich kann zu unterstützen.
Es gibt in Deutschland einen Betreuungsverein. Die kennen sich mit so etwas aus. Einfach die regionale Stelle mal anschreiben oder anrufen. Ansonsten auf jeden Fall einen Anwalt zu Rate ziehen.
Vielen Dank, das ist auf jeden Fall ein guter Hinweis. Da werde ich mich nach den Feiertagen auch nochmal melden und nachfragen, was die dazu sagen. Bzgl der Anzeige würdest du also zu einem Anwalt raten? Ich dachte vielleicht reicht es die Situation zu erklären, da mein Vater ja eigentlich nicht unbefugt da eingedrungen ist, aber dann schreibe ich da vielleicht besser doch keine Stellungnahme?
Hey! Es gibt nicht einen, sondern viele Betreuungsvereine. Häufig in Trägerschaft der großen Wohlfahrtsverbände aber auch kleine regionale Vereine. Diese Vereine bieten kostenlose Beratung zu den Themen Vorsorgevollmachten, Betreuungsrecht und Patientenverfügung. Für diese Tätigkeiten erhalten sie in der Regel Fördermittel von den Ländern und Kommunen. Sollte es bei ihnen keinen Verein geben, sollte die Beratung über die örtliche Betreuungsbehörde erfolgen können.
Ich schlage vor, das sich einer von euch an das Betreuungsgericht / Amtsgericht wendet, und formlos eine Betreuung anregt. Sinnvollerweise mit ausführlicher Begründung. Das bedeutet aber nicht unbedingt, das das Gericht tatsächlich ein Verfahren startet.
Im beschriebenen Fall sollte eine Kontrollbetreuung gemäß §1820 Abs. 3 BGB angeregt werden:
(3) Das Betreuungsgericht bestellt einen Kontrollbetreuer, wenn die Bestellung erforderlich ist, weil ...
2. aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Bevollmächtigte die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt.
Ebenfalls solle darauf hingewirkt werden, dass der Bevollmächtigten untersagt wird, die erteilte Vollmacht auszuführen. Rechtsgrundlage hierfür ist ebenfalls der §1820 BGB. In Absatz 4 heißt es:
(4) Das Betreuungsgericht kann anordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und die Vollmachtsurkunde an den Betreuer herauszugeben hat, wenn 1. die dringende Gefahr besteht, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet.
Da in letzter Zeit viele Posts gelöscht werden, nachdem OPs Frage beantwortet wurde und wir möchten, dass die Posts für Menschen mit ähnlichen Problemen recherchierbar bleiben, hier der ursprüngliche Post von /u/rafhsv:
Beteuerbetrug im persönlichen Umfeld - Wie weiter?
Hi!
Ich bin aktuell mit einem Fall in meinem privaten Umfeld konfrontiert, bei dem ich mir hier einfach Mal eine Einschätzung von euch holen wollte.
Mein Vater hat einen ehemaligen Arbeitskollegen (nenne wir ihn Jürgen) bei dem er seit dieser im Ruhestand ist regelmäßig vorbeischaut (beide sind auch in der gleichen Gehörlosen Community und dementsprechend schwerbehindert) und für ihn ein paar Einkäufe erledigt etc, da dieser keine Angehörigen (außer einer Nichte) mehr hat, allein lebt und keinen Führerschein besitzt. Jürgen ist leider auch nicht besonders eigenständig, kann nicht richtig lesen und schreiben und versteht in der Kommunikation nicht immer alles. Mittlerweile lebt er allein, hat aber sein Leben lang mit seiner Mutter (die hören konnte) zusammengelebt, weshalb er sich auch nie um Papierkram etc kümmern musste.
Anfang des Jahres hat mich mein Vater um Hilfe gebeten, da Jürgen verschwunden war. Nach einigen Telefonaten habe ich herausfinden können, dass er etwas weiter weg im Krankenhaus lag aber alles soweit normal war. Jetzt hat mich mein Vater wieder wegen Jürgen angesprochen und mir eine erschreckende Entwicklung offenbart: Im Krankenhaus (bei Marburg) muss er von einer Dolmetscherin betreut worden sein, die sich dann seiner "angenommen" hat über die folgenden Monate. Bei seinem letzten Besuch bei Jürgen im späten November wollte Jürgen mit meinem Vater Geld abheben geben, doch das ging nicht. Mein Vater war bereits vorher skeptisch, da Jürgen schon häufiger von der Dolmetscherin erzählt hatte und, dass sie ihn jetzt betreuen würde. Sie sind in die Kreisfiliale der Sparkasse und haben Mal Kontoauszüge geholt und dabei ist mein Vater fast umgefallen.
Die Betreuerin hat Jürgen seit März über 120.000€ gestohlen, das Geld für Amazon Bestellungen an ihre Adresse ausgegeben, Klarna Schulden beglichen, Geld an Dritte überwiesen und knapp 80.000€ in einem amerikanischen Immobilienfonds eingezahlt. Sie hat Jürgen alle Vollmachten unterschreiben lassen, die er meinem Vater gezeigt hat. Zudem hat sie ein neues Testament geschrieben, in dem sie sich und Jürgens Nichte zu gleichen Teilen als Erbinnen einsetzt und in dem steht, dass das Erbe bereits zu seinen Lebzeiten ausgezahlt werden soll (solange sie sich kümmern). Ich bin auch in Kontakt mit der Nichte, sie weiß von alldem nichts (glaubhaft).
Mein Vater wollte jetzt mit Jürgen zur Rechtsberatung, nachdem ich ihm gesagt habe, dass man den Mann nicht einfach so dem Betrug überlassen kann. Leider war er nicht Zuhause anzutreffen und mein Vater und die Nichte haben sich von der Nachbarin einen Ersatzschlüssel geben lassen um nachzusehen, ob ihm ggf was passiert ist.
Im Anschluss haben mein Vater (der von allen Dokumenten Fotos gemacht hat) und ich eine Mappe mit unseren Erkenntnissen zusammengestellt, der Polizei übergeben und Strafanzeige gegen die Betreuerin gestellt. Mittlerweile hat auch das Amtsgericht nochmal um die Mappe gebeten.
Gestern kam jetzt eine Anzeige gegen meinen Vater wegen Hausfriedensbruchs bei uns an, von dem Tag als Jürgen verschwunden war (bzw mittlerweile 14 Tage später immer noch verschwunden ist) und mein Vater und die Nichte nachgesehen haben. Dabei stimmt das Datum zwar, aber die Uhrzeit ist total falsch und wir fragen uns auch, woher die Betreuerin (sie wird ja wahrscheinlich die Anzeige gestellt haben) überhaupt weiß, dass mein Vater und die Nichte an dem Tag ins Haus geschaut haben.
Meine Frage jetzt: Wie sollen wir auf die Anzeige reagieren? Und habt ihr generell noch Einschätzungen zu dem geschilderten Fall? Ich habe leider (oder zum Glück) zum ersten Mal etwas damit zu tun und fühle mich auch ein bisschen überwältigt davon, auch wenn ich versuche meinen Vater so gut ich kann zu unterstützen.
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