„Netter Versuch James, aber heute bin ich nicht gut genug drauf um dir den Quatsch, den du mir da erzählst, abzunehmen.“, ich klemme den Telefonhörer zwischen meiner Schulter und meinem Kopf ein und suche die Position von seinem Streifenwagen im System, „Erzähl mir lieber, wo ich gerade gebraucht werden kann.“ Im Normalfall ist James ein wirklich netter Kollege, aber der Geschichte, die er mir heute auftischt, um mich zum Lachen zu bringen ist so absurd, dass ich ihr keinen Glauben schenken kann. Nicht heute. Nicht nach dem Morgen, an dem Terry seinen Kaffe in einem theatralischen Sturz über die Schwelle an der Eingangstür auf mir verteilt hat. Kurz nachdem ich hereingekommen bin, um meinen Dienst zu beginnen. Nicht nach dem Morgen, an dem John mich am Tresen abgefangen hat, um mir mitzuteilen, dass ich heute eine Doppelschicht arbeiten darf, weil Ethan mit Grippe im Bett liegt und Cameron sich am Strand von Sizilien einen Sonnenbrand holt. „Im Ernst, Dean, Callaghan, der Bankangestellte, hat es auch mindestens zehnmal wiederholen müssen, bis ihm das jemand geglaubt hat. Und ich glaube es ihm nur, weil ich es gerade vor mir auf dem Bildschirm der Überwachungskamera sehe. Das ist absoluter Wahnsinn!“ Er war heute wohl hartnäckiger als sonst, wunderbar. „James, ich…“ „Nein, du hast nichts Wichtigeres zu tun.“, schallt es aus dem Höhrer, „Komm einfach auch hier her. Du musst dir das ansehen. Sowas erlebst du kein zweites Mal.“ Ich will ihm gerade widersprechen, als ich das altbekannte Tuten in der Leitung ins Ohr gedröhnt bekomme. Das wird ja immer besser. Das Schlimmste ist, dass ich wirklich nichts Besseres zutun habe und deswegen eigentlich nichts anderes machen kann als James Aufgebot Folge zu leisten und ihm in diesem ominösen Fall der Rights Bank unter die Arme zu greifen. Mir kommt es sehr suspekt vor, was der Bank Angestellte, der einzige Zeuge, da laut James von sich gibt. Zwei Knirpse sollen die Bank heute morgen ausgeräumt haben. Wer auch immer sich da einen Scherz erlaubt hat, hat James und die anderen von der Streife ordentlich um den Finger gewickelt. Zwei Kinder können doch keine Bank ausrauben. Dazu kommt auch noch, dass sie angeblich 3200 Pfund mitgenommen haben. Ich habe schon viele Geschichten gehört, sehr viele. Ein paar gute und unglaublich viel schlechte Geschichten. Etwas hatten sie alle gemeinsam, es waren alles dumme Ausreden und Versuche, jemand anderen zu beschuldigen. Hätte man mich nach meiner Meinung zu der ganzen Sache gefragt, hätte ich mit garantierter Sicherheit bei diesem Bankangestellten angefangen nachzuforschen. Eine Überwachungskamera und das Überwachungssystem der Bank konnte man, wenn man es kannte, leicht mit etwas technischem Wissen in die Irre führen. Aber daran hat James wohl noch nicht gedacht, seine Schwäche für abartige Vorfälle hat ihn wohl mal wieder falsche Schlüsse ziehen lassen. Als ich gerade dabei bin, wieder am Haupttresen vorbeizulaufen, kommt Terry durch die Einganstür und bleibt etwas ertappt stehen, sein Blick wandert von John, der ihn nett begrüsst zu mir und dem gigantischen Kaffefleck, der sich von meinem Kragen über den gesamten vorderen Teil meines Hemdes ausgebreitet hat und immernoch vor Kaffe triefend an mir klebt. Meine Dienstmarke steckt schief mitten im Kaffefleck, weil ich sie nicht neu angesteckt habe, als ich mit einem Handtuch erfolglos versucht hatte, den Schaden des Flecks zu begrenzen. Terry sieht so aus, als ob er sich nochmal entschuldigen möchte, aber sich nicht traut. Irgendwie tut er mir auch leid, aber ich habe gerade eindeutig zu wenig Nerven übrig, um ihm zu versichern, dass ich es ihm nicht Böse nehme. Ich schiebe mich neben ihm durch die Tür und stapfe auf einen der Dienstwagen zu. Ich reisse die Tür des Wagens auf, setzte mich auf den Fahrersitz, starte den Motor und fahre in Richtung der Bank davon. Skull ist eine nette Ortschaft, stets geht es was vor sich, nie ist es ruhig. Manchmal, vorallem wenn ich Dienst habe, gefällt mir diese Eigenschaft eher weniger, doch grundsätzlich habe ich nichts gegen einen belebten Ort. Im Gegenteil, im Normalfall gefällt mir diese nie ruhende kleine Stadt wirklich gut. Ich halte an einer Ampel an und und schaue aus dem Fenster, bis die alte Dame über der Strasse ist. Ein Junger Herr läuft mit einer in seinem Gang schwingenden Aktentasche auf ein Bürogebäude zu und verschwindet in dessen Eingang. Zwei kleine Jungen stehen vor dem Kiosk am Marktplatz und scheinen sich mit Süssigkeiten einzudecken. Die Ampel schaltet auf Grün und ich trete aufs Gaspedal. Als ich vor der Bank anhalte, ist James gerade dabei den Bankangestellten zum vermutlich hundertsten Mal zu verhören. Der Mann scheint die Fassung völlig verloren zu haben, denn er liegt James beinahe zu Füssen, als er ihn bittet, ihn nach Hause gehen zu lassen. Er sieht tatsächlich irgendwie unschuldig aus. Aber vielleicht ist er nur sehr raffiniert, mit solchen Leuten habe ich schon genug Erfahrung gemacht. Mit meinem gigantischen Kaffeefleck auf dem Hemd steige ich aus dem Wagen und gehe auf James und den fast weinenden, wieder und wieder seine Unschuld beteuernden Bankangesellten zu. Bevor ich ihm zuvorkommen kann, grüsst James mich und gibt dem Bankangestellten einen Ruck, damit er sich aufrichtet: „Hey Dean!“, er verschränkt die arme und sieht in meine Richtung. „Hey.“, brumme ich und laufe auf de beiden zu. Mit jedem Schritt, den ich näherkomme, wirkt der Bankangestellte mehr wie ein Häufchen Elend. „Inspector Dean Murphy.“ Ich stecke dem erschöpften Mann die Hand entgegen. Er schüttelt sie nervös und stottert seinen Namen „C-Callaghan, Lucas Callaghan, freut mich.“ Dass es ihn freut mich zu sehen scheint mir zwar eher weniger der Fall zu sein, aber immerhin versucht er es zu demonstrieren. Dafür muss ich ihm, ob ich das will oder nicht, Sympathiepunkte aussprechen. „Dean…äh… Inspector Murphy würde sich Ihre Perspektive auch gerne einmal anhören, Mr. Callaghan. Wären Sie so nett ihm nochmalszu erläutern, was Sie mir in der letzten Halben Stunde erzählt haben?“, dass James eher „Hauen Sie diese verrückte Geschichte nochmal raus, damit ich ein zweites Mal durchdrehe!“, meinte, war auch Mr. Callaghan klar. Die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus, so schnell, dass ich Angst hatte, seine Zunge könnte sich verknoten: „Gerne Inspector,“, Callaghan sah mich an, wie ein Kind, dass seinen Eltern erklären wollte, dass es die Vase nicht hatte fallen lassen, die zersplittert am Boden lag. „Sie müssen wissen, dass ich meistens schon früh zur Arbeit komme, alles für den Tag vorbereite und dann auf die ersten Kunden warte. Heute morgen habe ich nach dem Tresor gesehen, die Eingangstür vom Alarm freigeschaltet und nachgesehen, ob alle Bankomaten funktionieren. Ich wollte dann hinter den Tresen gehen und auf Kundschaft warten, aber dann sind da plötzlich diese zwei Jungs hereinspaziert. Ich habe zwar überlegt, wieso sie allein waren, mir aber nichts weiter dabei gedacht. Sie kamen auf mich zu und der Ältere hat angefangen, mir zu erzählen, dass er selbst unbedingt mal bei der Bank arbeiten will.“, Callaghan lächelt leicht und wird wieder ernster, „Dann hat er gefragt, ob ich ihm und seinem Bruder denn nicht einmal die coolen Geheimräume zeigen kann. Auch da habe ich mir nichts gedacht, denn wer denkt sich schon etwas bei zwei kleinen Kindern, die von ihrer Zukunft träumen. Ich habe mir gedacht, dass ich ihnen den Tresor zeigen könnte, dass finden alle Kinder, die mit ihren Eltern kommen immer furchtbar spannend. Also sind wir in den Tresorraum und ich habe den Tresor, mit dem Bargeld geöffnet, damit sie sehen, was in so einem grauen Kasten eigentlich drin ist. Da hat mich der Kleinere gefragt, ob er auch so einen grauen Kasten haben kann und ich habe ihm erklärt, dass er seine Mutter und seinen Vater da erst einmal fragen muss. Tja, und in dem Moment, in dem ich mich für einen Moment weggedreht hatte, um dem Kleinen etwas zu erklären, hat der grosse sich wohl bedient…“, Callaghan lässt die Schultern sinken und sieht aus, wie ein Kind, das soeben eingesehen hat, dass es die Vase hat fallenlassen. „Nun, wie steht es mit Phatombildern?“, ich richte diese Frage indirekt an James, der mir wie aus der Pistole geschossen antwortet: „Haben wir schon erstellt, es sind zwei ziemlich durchschnittliche Jungs.“, er zuckt mit den Schultern, allerdings nicht, aufgrund des Aussehens der Jungen. Genau wie James zucken ich und Callaghan zusammen, als hinter uns ein lauthals schreiender Mann seinen Weg unter dem Absperband hindurch sucht: „Callaghan! Sie kognitiv teilmöblierte, Intelligenz insolvente Definition von Inkopetez!“ Ein Mann im Anzug stürmt auf uns zu. Callaghan fährt so schnell herum, dass seine Beine sich auf eine wundersame Weise verdrehen und er auf dem Asphalt landet. Ich habe das Gefühl, er könnte in den nächsten Sekunden kollabieren. Mit halb verknoteten Beinen und vermutlich kurz davor zu weinen, sitzt Callaghan am Boden, vor mir und James, während der Bankdirektor auf ihn einbrüllt: „WAS HAT IHNEN DIE HIRNARTERIEN VERSTOPFT DAS SIE SO ETWAS HINBEKOMMEN?! Von zwei Kindern! beide höchstens elf! Das zerstört den Ruf dieser Bank auf ewig! HÄTTEN SIE SICH NICHTS BESSERES EINFALLEN LASSEN KÖNNEN, UM MICH AN EINEM SAMSTAG MORGEN ZU WECKEN?“ Der Direktor ist hochrot und bei jedem Wort, das er Callaghan an den Kopf wirft, scheint ein Erdbeben ausgelöst zu werden. James steht wie angewurzelt hinter Callaghan und starrt den vor Wut kochenden Direktor der Bank mit aufgerissenen Augen an. Wenn ich ehrlich bin, zeichnet sich auf meinem Gesicht vermutlich gerade Ähnliches ab. Allerdings bin ich es, der zuerst wieder klar denken kann: „Sir, bitte beruhigen Sie sich und treten Sie einen Schritt zurück.“ Als ob er von der einen auf die andere Sekunde zu einem anderen Mann geworden wäre, tritt er zwei Schritte von Callaghan weg und sieht mich an: „Selbstverständlich Officer.“ „Inspector”, verbessere ich ihn. „Natürlich, bitte entschuldigen Sie, Inspector. Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte: mein Name ist Walter Rights und mir gehört diese Bank”, er setzt sein Geschäftslächeln, auf und streckt mir die Hand entgegen, wie Callaghan es bereits tat. Mit dem Unterschied, dass ich nicht darauf eingehe, was er einen Moment später, mit ins Leere gestreckter Hand, auch feststellt. „Verzeihen Sie meinen kleinen Ausbruch von eben, ich habe mein Unternehmen erst vor ein paar Wochen aus einer Krise retten können, ich kann mir aktuell einfach keine Makel leisten.“ „Darauf legt das Gesetz keinen Wert.“, entgegnet James, der sich wohl auch wieder aus seiner Starre gelöst hat.
„DA!!! Das sind sie!“, wir alle sehen zu Callaghan hinunter, der wie unter Strom auf zwei kleine Jungen, mit Zuckerwatte in der Hand, zeigt und irgendetwas vor sich hin kreischt. Tatsächlich kommen zwei kleine Jungs in unsere Richtung. Der eine Junge ist vielleicht zehn, der andere eher fünf. Die beiden laufen auf die das Bankgebäude zu und sind durch Callaghans Aufschrei auf uns aufmerksam geworden. Jetzt steuern sie auf uns zu. Nichts, wirklich nichts an diesem Tag, macht gerade irgendeinen Sinn, denn hinter ihnen spaziert Terry, mit einer Zuckerwatte in der Hand, und scheucht die beiden Jungen auf uns zu. „Hey James! Hey Dean!“, Terry strahlt uns mit seiner Zuckerwatte in der Hand an, „Wollt ihr auch welche?“, er hält mir die Zuckerwatte unter die Nase. Ich schiebe die Zuckerwatte zur Seite, „Nein, danke.“ Terry schaut auch James und Mr. Rights fragend an, woraufhin beide vollkommen verwirrt den Kopf schütteln. „Na gut,“, Terry zupft sich ein Stück der Zuckerwatte ab, „Dann bleibt eben mehr für mich.“, er zuckt mit den Schultern. „Was zum... Hä? Was geht jetzt bitte ab? Terry? Du solltest doch…“, meldet sich James, immernoch mit der Beherrschung ringend, „Woher kommen die Kids da jetzt und wieso seid ihr alle am Zuckerwatte essen?!“, versuchte er es ein zweites Mal, immernoch bemüht Terry nicht an den Schultern zu packen und zu fragen, was das bitte für ein Tag war. In mir spüre ich einen Drang, James Bedürfnis umzusetzen. Terry scheint allerdings von James Reaktion und Mr. Rights heruntergeklappten Kinnlade unbeeindruckt zu sein, den er schaufelt fleissig Zuckerwatte in sich hinein und fängt schliesslich an, uns aufzuklären, wie diese Situation zustande kommen konnte. „Ich war vorher auf Streife unterwegs, als ich dieses Strassenfest gesehen hab.“, er macht eine Pause und isst ein weiteres Stück Zuckerwatte, „Ich dachte, dass ich da ja auch mal auf Patrouille gehen könnte und bin ein wenig umhergeschlendert. Dann hab ich den Zuckerwattenstand gesehen und hatte plötzlich Lust auf Zuckerwatte, also hab ich mich in die Reihe gestellt und während dem Warten im System nachgesehen, ob ich irgendwo gebraucht werde. Im System hab ich aber nur die Bilder von diesen beiden gesehen.“, er deut mit der Zuckerwatte auf die Jungs, die immernoch stocksteif neben James stehen, „Als ich dann fast dran war, hab ich vor mir nur den Verkäufer verdutzt sagen gehört, dass er keinen Tausenderschein tauschen kann. Das kam mir doch etwas merkwürdig vor, aber die beiden haben so traurig ausgesehen. Also hab ich ihnen eine Zuckerwatte gekauft, wobei ich gemerkt habe, dass sie aussehen wie die Jungen, die angeblich eine Bank überfallen haben.“, er sieht die beiden Jungs belustigt an, „Und als ich ein wenig nachgefragt habe, haben sie mir von ihrem morgentlichen Abenteuer erzählt.“ „Tschuldigung…“, murmelt der grössere der Jungs verlegen und versteckt sich so gut er kann hinter seiner Zuckerwatte. Ich bekomme kein Wort heraus. James hingegen schafft es einen Gedanken zu fassen und spricht für uns beide: „Wenn das morgen nicht in der Zeitung steht, fresse ich einen Besen.“
Die Geschichte ist nett, haut einen nicht um, aber deine Schreibe gefällt mir ganz gut! Weiter so! =)