Private Vermieter kommen in der aktuellen Debatte um Wohnungsnot schlecht weg.

Private Vermieter kommen in der aktuellen Debatte um Wohnungsnot schlecht weg.

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Immer mehr Kleinvermieter kehren dem Wohnungsmarkt den Rücken. In der öffentlichen Debatte kommen sie oft schlecht weg. BI hat drei private Eigentümer zu ihrer Tätigkeit und ihren Erlebnissen befragt. Wie sie die aktuelle Lage einschätzen – und was für Konsequenzen sie daraus ziehen.

Schaut Jan Lohmann aus dem Fenster seines Hauses aufs Adriatische Meer hinaus, kann er häufig den Delfinen dabei zusehen, wie sie abwechselnd übermütige Sprünge vollführen und elegant durch das Wasser gleiten. Seit 2020 lebt der 60-Jährige hier mit seiner Frau auf einem Grundstück nahe der kroatischen Stadt Šibenik, das sie gemeinsam 2017 erworben und anschließend bebaut haben.

Lohmann, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat seiner Heimat Deutschland den Rücken gekehrt – und damit auch deren Wohnungsmarkt, auf dem er als Eigentümer von zwischenzeitlich vier Wohnungen als Vermieter agierte. „Die letzten zwei Einheiten sind zum Verkauf beim Makler.“

Sobald die Kaufverträge beim Notar unterschrieben sind, ist das Kapitel für ihn beendet. „Vermieten lohnt sich dort nicht mehr“, sagt der Finanzanalyst.

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Seine Entscheidung lenkt den Blick auf die Folgen der über Jahre gewachsenen Unwucht am deutschen Wohnungsmarkt, wo Angebot und Nachfrage inzwischen weit auseinanderklaffen. Ihre selbsterklärten Neubauziele hat die Politik Jahr für Jahr gerissen, es fehlen rund eine Million Einheiten, die Mieten steigen.

Um der Krise Herr zu werden, greift die Politik seit Jahren in den Markt ein – und gerät damit in eine klassische Interventionsspirale, die jeder Maßnahme weitere unerwünschte Nebenwirkungen folgen lässt. Mieter und Vermieter stehen sich inzwischen oft feindselig gegenüber, Politik und Interessenverbände befeuern die Polarisierung noch. Sie haben sich auf einen Schuldigen für die Krise eingeschossen: und das sind Vermieter wie Lohmann.

Dass sich der Engpass schnell auflöst, ist nicht zu erwarten. Bauen und Sanieren ist teuer, Handwerker fehlen, Überregulierung und energetische Auflagen erschweren den zügigen Neubau. Gerade die letztgenannten Hindernisse sind es, die Vermieter wie Lohmann – neben dem Sündenbock-Image – zum Aufgeben bewegen, weil sie das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag minimieren, das Vermieten zuweilen sogar zum Zuschussgeschäft machen.

Die Frage nach den Schuldigen an der Wohnungsnot

Vor allem linke Parteien sind dazu übergegangen, vom Politikversagen der vergangenen Jahrzehnte abzulenken. Die Linken etwa haben mit ihrer Antwort auf die Frage nach den Schuldigen an der Wohnungsnot schon zur Bundestagswahl so erfolgreich Wahlkampf betrieben, dass sie bei unter 25-Jährigen, die das Problem mit am stärksten betrifft, bei 25 Prozent landeten.

Erfolge, die bei Parteien mit ähnlicher programmatischer Ausrichtung Begehrlichkeiten wecken und sie zugleich unter Druck setzen, wollen sie im Rennen um den schrillsten Linkspopulismus mithalten: „Stresst dein Vermieter?“, fragen die Grünen in Berlin, wo 85 Prozent der Bewohner zur Miete wohnen: „Wir stressen zurück.“

Und die Hauptstadt-SPD hat, ohne Widerspruch vom Koalitionspartner CDU, ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ auf den Weg gebracht, dessen Folgen, wenn es so kommt, schwer absehbar sind. In Darstellungen von Medienhäusern und -anstalten in den Großstädten, wo fast jeder ein Mieter ist, kommen Vermieter auch nicht gut weg: Im Pilotfilm des ARD-Projekts #besserwohnen stellt ein Schauspieler klischeehaft einen profitgierigen „Immobilienhai“ dar. Das Projekt ruft Mieter auf, von ihren Erfahrungen zu berichten, Vermieter hingegen nicht.

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Dabei existieren die im Film beschriebenen Probleme tatsächlich. Gerät ein Markt aus dem Gleichgewicht, sitzen Vermieter am längeren Hebel. Es gibt die Fälle, in denen heruntergekommene, dunkle Löcher zu horrenden Preisen angeboten oder Wohnungen mit schäbigen Möbeln ausgestattet werden, um Mietregeln zu umgehen.

Doch es ist nicht das ganze Bild. „Wenn man eine 100-Quadratmeter-Wohnung in guter Lage haben möchte, bekommt man die nicht für 500 Euro“, spitzt Andrea Schäfer ihre Wahrnehmung zu. Sie vermietet mehrere Wohnungen im Raum Stuttgart und organisiert die Verwaltung selbst.

Das Vermietungsgeschäft habe sich verändert. „Es hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass Mieter grundsätzlich immer zu viel bezahlen. Das Verständnis dafür, welchen Aufwand Vermieter haben und wie die Kosten gestiegen sind, geht verloren“, sagt die 60-Jährige aus Filderstadt. Für sie ist dies auch eine Folge eines über Jahre etablierten Zerrbilds, das alle Vermieter als renditehungrige Abzocker über einen Kamm schert – und das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern nachhaltig zu vergiften droht.

Balance zwischen Mieter- und Vermieterinteressen

Das schadet auch dem Markt: „Studien belegen, dass die Attraktivität des Mietwohnungsmarktes entscheidend davon abhängt, dass eine Balance zwischen Mieter- und Vermieterinteressen gewahrt wird“, gibt Michael Voigtländer, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, zu bedenken.

Dabei lässt der Wohnungsmarkt schon mit Blick auf seine Fragmentierung keine pauschale Einordnung zu. Neben Wohnungskonzernen wie Vonovia oder LEG, Genossenschaften und sonstigen professionell-gewerblichen Vermietern, die etwa ein Drittel des Marktes ausmachen, wird er von privaten Vermietern dominiert.

Sie stellen dem Markt rund 64 Prozent der vermieteten Wohnungen zur Verfügung, das sind rund 16,1 Millionen Einheiten. Viele sehen als Selbstständige in den Investments ihre Altersvorsorge.

SOEP v39/Institut der deutschen Wirtschaft/BUSINESS INSIDER/WELT

So wie Jürgen Mosthaf, Küchenmeister und Betreiber eines Hotelrestaurants im schwäbischen Abstatt. Seine erste Eigentumswohnung zur Vermietung kaufte der 62-Jährige 1992, kurz nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, 75 Quadratmeter für 320.000 D-Mark. Im Jahr 2000 verkaufte er das Objekt mit Verlust, um ein Zweifamilienhaus in Heilbronn finanzieren zu können, in das er einzog und dessen zweite Wohnung er vermietete.

Zu dem Zeitpunkt war er bereits ein gebranntes Kind. Sein erster Mieter war ein Sozialhilfeempfänger. „Ich dachte, da bekomme ich das Geld sicher vom Amt“, so Mosthaf. Doch die Behörde argumentierte nach Vertragsschluss, die Mieter müssten den Umgang mit Geld lernen und ihm die Miete selbst überweisen. Nur: das taten sie nicht. „Bis ich die aus der Wohnung geklagt hatte, verging ein Jahr, die Wohnung war ein verschimmeltes Trümmerfeld, auf den Sanierungskosten bin ich sitzen geblieben.“ Gesamtschaden: 18.000 Mark.

Private Vermieter heben selten Bestandsmieten an

Beim Zweifamilienhaus lief es dann besser. „Da die Wohnlage bevorzugt war und ich die Miete nicht voll ausgereizt habe, habe ich sehr gute Mieter bekommen“, sagt Mosthaf. Eine Strategie, die das IW bestätigt: Private Vermieter heben eher selten die Bestandsmieten an, um das Verhältnis zum Mieter nicht zu belasten, mit denen sie ja oft in räumlicher Nähe leben.

Auch Mosthaf fühlt sich diffamiert, wenn undifferenziert über die Vermieter hergezogen wird. „Die Leute sehen nur meine Mieteinnahmen und denken, das könnte ich als Reingewinn einstreichen. Nach Steuern, Renovierung und Investitionen bleibt, auch wenn das teilweise absetzbar ist, wenig übrig. Ich überlege schon manchmal, ob ich nicht verkaufen soll.“

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Jan Lohmann hat diese Entscheidung getroffen und trennt sich von seinem Bestand, überwiegend im Raum östlich von Mannheim. „Den Ausschlag gab die Lage in Deutschland. Wir haben die wirtschaftliche Perspektive des Landes in Zweifel gezogen. Wenn nach einem Abschwung keine Erholung stattfindet, aus demografischen, aber wie bei der Energiewende auch aus politisch gewollten Gründen, dann sollte man dort nicht unbedingt langfristig in Grund und Boden investieren. Und wenn das, was als Bürgergeld bezeichnet wird, mal verschwindet, weil es nicht mehr finanzierbar ist, dann kriegen wir auch ein Problem, Mieten durchzusetzen oder gar zu erhöhen.“

Andrea Schäfer verschwendet keinen Gedanken ans Aufhören. „Ja, es ist ärgerlich, dass Mieter fragen, warum ich schon wieder die Miete erhöhe, obwohl es meist nur um Nebenkosten wie steigende Müllgebühren, Energiepreise oder die gestiegene Grundsteuer geht.“

Aber: „Es gibt auch Momente, die Freude machen. Wenn man den Mietern was Gutes tut und die sagen: Vielen Dank, Frau Schäfer, wir fühlen uns so wohl.“