Sportschützen von Polizei und Militär gerieten in den Fokus des Verfassungsschutzes, weil sie bei einem Online-Vertreiber Kaffee bestellten. Der falsche Vorwurf: Rechtsextremismus.

Der Mann, den wir hier Herwig Schmidt nennen, möchte auf keinen Fall seinen Namen in der Presse lesen: "Meine Familie und ich stehen genug unter Druck“, sagt er FOCUS online. Denn der ehemalige Bundeswehrsoldat musste seine Waffen wegsperren, weil er unter dem Verdacht des Rechtsextremismus steht.

„Ich musste meiner Familie beibringen, dass die Waffen weg sind“

Vorab: Der schlimme Vorwurf entbehrt jeder Grundlage, hat aber harte Konsequenzen: "Ich musste das erstmal meiner Familie beibringen, vor allem meiner Tochter, dass die Waffen weg sind.“ Schmidts Tochter ist eine erfolgreiche Sportschützin und nutzt seine Waffen. Das jüngste Turnier fiel daher aus.

Die Geschichte, die Herwig Schmidt und andere ehemalige Bundeswehrsoldaten und Polizisten erlebt haben, beginnt mit einem Kaffeeangebot im Internet, das sich speziell an "Mitglieder der Blaulichtfamilie“ richtete, wie Schmidt sagt. Durch den Kauf des Kaffees unterstütze man überdies soziale Zwecke, erzählt Schmidt. 

Er bestellte mehrere Päckchen Kaffee und erhielt obendrein eine Tasse geschenkt. Über den Kauf und die erhaltene Tasse postete er erfreut in sozialen Medien.  

Waffenentzug aufgrund eines Hinweises des Verfassungsschutzes

Auf diese Weise geriet er ins Visier des Verfassungsschutzes. Denn der observierte offenbar die Aktivitäten der Online-Kaffee-Verkäufer mit dem Firmennamen "Black Ops Coffee" bei dem laut Verfassungsschutz der Verdacht besteht, eine Nachfolgeorganisation des aufgelösten, rechtsextremen Militärnetzwerkes "Uniter" zu sein. 

"Ich habe da nix Schlimmes geahnt", sagt Schmidt zu FOCUS online, denn bei der Firma hätten auch Leute vom Ordnungsamt und sogar der "GSG 9" eingekauft. "Es hieß, dass aus den Erlösen auch Traumatherapien für verletzte Soldaten und Polizisten unterstützt würden." 

Entsprechend geschockt war Schmidt, als ihm am 16. Juli 2025 die zuständige Waffenrechtsbehörde seiner Landkreisverwaltung mitteilte, dass sie einen Entzug der erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse beabsichtige. Dabei stützte sich die Behörde auf Hinweise des hessischen Verfassungsschutzes.

Der hatte sich offenbar auch das Social-Media Profil Schmidts angeschaut und festgestellt, dass er über Produkte von "Black Ops Coffee" gepostet hatte und eine Veranstaltung des Kaffeevertreibers repostet hatte.

Im Ergebnis teilte der Verfassungsschutz der Waffenbehörde mit, Schmidt sympathisiere mit "Black Ops Coffee" und unterstütze deren Ziele "nicht unerheblich.“ Dabei sei "Black Ops Coffee" eine Nachfolgeorganisation des rechtsextremen Vereins "Uniter".

Das ARD-Politikmagazin Report Mainz hatte im April 2025 berichtet, dass Black-Ops-Coffee vom ehemaligen Mitgründer des rechtsextremen Vereins "Uniter eV.“, André S. betrieben werde.  Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreibe S. den Kaffeevertrieb und die zugehörige Community seit 2021.

"Mit solchen Leute will und wollte ich nichts zu tun haben"

Auf Anfrage von FOCUS online teilte der Betreiber von "Black-Ops-Coffee", Dieter Kramar, nach eigenen Angaben Ex-Mitglied im Kommando Spezialeinheiten der Bundeswehr, mit, er besitze das Unternehmen erst seit dem 01. November 2025 und habe es von André S. übernommen. 

Die Vorwürfe des Rechtsextremismus gegen die Firma und S. nennt Kramar "Lügen“. Auch sei die Firma keine Nachfolgeorganisation von "Uniter".

Man habe 12.000 Kunden in der Community, davon seien geschätzte 50 Prozent Soldaten und Polizisten. "Mein Kaffee ist nicht rechtsradikal und meine Kunden sind es auch nicht“, so Kramar. Er sei sich aber sicher, dass auch ehemalige "Uniter"-Leute dabei seien: "Mir ist egal, wer meinen Kaffee kauft.“

Der Militärsportschütze Schmidt ahnte vor dem Bericht in der ARD im April von all dem nichts. "Ich bin ja wie vor den Kopf gestoßen. Hatte keine Ahnung. Mit solchen Leuten will und wollte ich nichts zu tun haben“, beteuert er im Gespräch mit FOCUS online.

Und er berichtet, wie er in die Fänge des Geheimdienstes geriet: "Ich habe drei Päckchen Kaffee gekauft, dazu gab es eine Tasse. Da habe ich gepostet 'Danke für die Tasse!‘ Das wurde als Unterstützung einer rechtsextremistischen Organisation gewertet.“

Kaffeevertreiber tarnt sich durch unverfänglichen Internetauftritt

Vor dem ARD-Bericht konnte keiner der Tausenden Sportschützen ahnen, dass hinter dem Kaffee-Online-Verkäufer eine problematische Truppe stehen könnte. Auf der Homepage der Marke heißt es: "Durch unsere internationale Tätigkeit bauen wir Brücken zwischen ALLEN Ländern, Kulturen, Religionen und Ethnien.“

Und: "Vor Ort helfen wir den Bedürfnissen der Helden des Alltags gerecht zu werden. Wir verbinden ehemalige, aktive und zukünftige Helden des Alltags zu einer Community und bieten dadurch eine Plattform für Austausch, Toleranz und Brüderlichkeit.“

Ausdrücklich heißt es in den Statuten: "Keine Vorurteile: Alle Menschen sind gleich, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder Geschlecht.“

Absurd: Der Hessische Verfassungsschutz räumt selbst ein, dass unbescholtene Bürger die Verbindung zu Rechtsextremen nicht erkennen konnten. So heißt es in dem Verwaltungsschreiben des Verfassungsschutzes an die Waffenbehörde des Landkreises: "Der unverfängliche Auftritt von 'BLACK OPS COFFEE' schafft dabei über die angebotenen Artikel und Kurse einen niedrigschwelligen Zugang“. 

"Verfassungsschutz als Agent provocateur?“

Der Anwalt des betroffenen Sportschützen, Christian Teppe, fährt nun scharfe Geschütze gegen die Verfassungsschützer auf und spricht gegenüber FOCUS online von einer möglicherweise "gestellten Falle durch unterlassene Aufklärung der Öffentlichkeit“ und fragt, ob der "Verfassungsschutz als Agent provocateur“ unterwegs sei.

Das Gesetz über den Verfassungsschutz, so argumentiert Teppe, verpflichte die Behörde in Paragraph 16 zum Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit: "Das ist unterlassen worden, wodurch nun Waffenbesitzer wegen unterlassener Aufklärung als unzuverlässig gemäß Paragraph 5 Waffengesetz bezeichnet werden.“

Auch David Brandenburger, Präsident des "Bundes der Militär- und Polizeischützen“ ist empört: "Wir erfahren als Letzte, wenn es faule Eier unter unseren Mitgliedern gibt“. Sein Verband vertritt rund 40.000 deutsche Sportschützen, ehemalige und aktive Polizisten und Soldaten.

"Ich hätte auch beinahe diesen Kaffee bestellt“, erzählt Brandenburger, FOCUS online: "Hätte ich damals Kaffee bestellt, wäre ich in dieselbe Mühle geraten.“ Und: "Dass die Bestellung von Kaffee zu solchen Problemen führt, ist völlig absurd“

Mitglieder seines Verbandes seien in der Angelegenheit sogar vom "Militärischen Abschirmdienst“, also dem Nachrichtendienst der Bundeswehr, verhört worden, berichtet Brandenburger. 

Waffengutachter attestiert Behörden Untätigkeit 

Schmidts Anwalt hat den Investigativjournalisten und Waffengutachter Lars Winkelsdorf mit einem Gutachten zu dem Fall zu beauftragen. Das Gutachten, das FOCUS online exklusiv vorliegt, stützt die Unschuldsbeteuerungen des Sportschützen Schmidt.

"Somit stützen sich die Behauptungen über den SCHMIDT ausschließlich auf den festgestellten Konsum von Bohnenkaffee und nicht etwa auf eine Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei, politisch-extremistische Betätigungen oder derartige Äußerungen.“

Winkelsdorf, der vor Jahren zu den ersten Journalisten gehörte, die über "Uniter" berichteten, ist verwundert, dass keine Behörde die Schützenverbände warnte. In seinem Gutachten heißt es: "Die betroffenen Verbände haben gegenüber dem Unterzeichner mitgeteilt, dass es zu keiner Zeit Versuche von Kontaktaufnahmen durch Verfassungsschutzbehörden gegeben hat.“

Das Problem: Nie gab es eine öffentliche Warnung, die unbescholtene Sportschützen davor bewahrt hätte, sich auf den Kaffeehändler einzulassen. Setzten die Behörden darauf, die Dinge in Ruhe zu beobachten, anstatt sofort Schlimmeres zu verhindern?

Verfassungsschutz verweist jetzt auf Waffenbehörde

Auf eine Anfrage von FOCUS online zum Fall des Militärsportschützen Schmidt antwortet der Hessische Verfassungsschutz: "Ziel der Hessischen Landesregierung sowie der Sicherheits- und Waffenbehörden in Hessen ist es, dass keine ihnen bekannte Person mit extremistischen Bestrebungen Waffen oder waffenrechtliche Erlaubnisse besitzt.“

Zu diesem Zweck gebe es eine enge Zusammenarbeit mit den Waffenbehörden. Zum konkreten Fall des Sportschützen Schmidt äußert sich der Verfassungsschutz aus Datenschutzgründen nicht.

Aber: "Die Waffenbehörden entscheiden ihrerseits als Fachbehörden nach den waffenrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung, ob aufgrund der übermittelten Erkenntnisse eine waffenrechtliche Erlaubnis zu versagen oder zu entziehen ist und leiten die dementsprechenden Schritte ein.“

So liegt der Ball wieder beim Landkreisamt. Auf Anfrage von FOCUS online verweigert jedoch auch die zuständige Waffenbehörde dort jede Auskunft zu dem Fall.