Frieden ist ein hohes Wort, das in die Niederungen der politischen Propaganda und rabiaten Spekulation herabgesunken ist. Dabei ist es ein Wert des Glaubens, nicht des Deals. Zu einer fatalen Umdeutung.
Heute an Heiligabend werden die Kirchen wieder voller friedliebender Menschen sein. Sie werden in einer Reihe sitzen, ins Kerzenlicht schauen und sich auf ihre Geschenke freuen. „Ja, er kommt, der Friedensfürst“, werden sie hoffentlich mit Inbrunst singen und beim Friedensgruß die Hände der Nachbarn ein wenig fester fassen. In den Predigten wird auch in diesem Jahr wieder kurz vom Krieg die Rede sein. Vom Krieg, der nicht enden will. Der immer weitergeht, selbst an Weihnachten.
„Der Mensch ist nicht für den Frieden gemacht“, hat der rumänische Philosoph Emil Cioran 1973 in seinem Buch „Vom Nachteil, geboren zu sein“ geschrieben. So bitter das klingt, so wahr erscheint uns der Satz heute. Im Angesicht eines Krieges, der unerbittlich wütet. Eben gerade noch ging ein Bild von drei jungen ukrainischen Soldaten durch die Welt, wie sie in einem Krankenhaus in ihren schmalen Betten liegen und verzweifelt auf ihre Prothesen herabschauen. Wie viele Menschen hat dieser Krieg schon zerstört?
Als handelte es sich um ein schwieriges Bauprojekt
Die schmierigen Immobilienmakler, die sich auch in diesen Tagen wieder miteinander treffen, um im Auftrag ihrer weltmächtigen Herren über die Ukraine zu verhandeln, als handele es sich dabei um ein in Schwierigkeiten geratenes Bauprojekt, haben sich die Frage nach dem tieferen Verhältnis von Mensch und Frieden nie gestellt. Sie sind Repräsentanten eines Denkens, das geist- und gottloser nicht sein könnte. Ihre Gedanken verkehren in den engen Bahnen der Funktion und des Profits, die Werte, an die sie glauben, orientieren sich an einer einzigen Pose: Breitbeinigkeit. Ihr heiligstes Wort ist eines aus der Zuhälter- und Drogenwelt: der Deal.
Schon in der emphatischen Verwendung dieses schmutzigen Ausdrucks spiegelt sich das wahre Gesicht einer Auffassung, die meint, sich stets durch Angeberei und Täuschung Vorteile verschaffen zu können. Als könnte man einen Frieden wirklich „erdealen“ wie ein Tütchen Kokain. Als müsste Frieden nicht zumindest errungen werden. Um nicht zu sagen, dass wir ihn eigentlich nur geschenkt bekommen können.
Frieden, das ist ein hohes Wort, das in tiefe Niederungen geraten ist. In die Sphäre der rabiaten Spekulanten auf der einen und in die Welt der politischen Geschäftemacher auf der anderen Seite. Es ist schmerzhaft mitanzusehen, wer sich im Moment alles hinter dem Wort „Frieden“ versteckt. Die Friedenstaube auf den Wahlplakaten von AfD und Linkspartei rührt an die nostalgischen Gefühle einer Wählerschaft, die darin das Signet des von der SED gesteuerten Friedensrates wiedererkennen und sich in der retrospektiven Fiktion eines „Friedensstaates“ bestätigt wissen will. Die Friedenstaube war in der DDR eines der am häufigsten verwendeten politischen Symbole, das selbst den Text von Kinderliedern bestimmte: „Du sollst fliegen, Friedenstaube / allen sag es hier / dass nie wieder Krieg wir wollen / Frieden wollen wir.“
Warum soll ich für dieses Land kämpfen?
Frieden, das wollen auch heute wieder sehr viele Deutsche. Was für sie vor allem bedeutet: in Frieden gelassen zu werden. In Frieden gelassen von den Zumutungen einer Welt, in der Diktatoren gewaltvoll ihren Willen durchsetzen, Demokratien an Korruption erkranken und Wohlstand und Überregulierung uns jeglichen Partizipationsstolz zu nehmen drohen. In deutschen Fernsehsendungen treten inzwischen junge Männer auf und fragen den Bundeskanzler frei heraus, warum sie Deutschland verteidigen sollten, wenn doch die Deutsche-Bahn-Tickets immer teurer würden: „Warum soll ich für dieses Land kämpfen, wenn mir das Land nicht das Gefühl gibt, dass es für mich kämpft?“ So dreht man den bedeutenden Kennedy-Satz hämisch um. Frieden, das ist in diesen Tagen oft eine Ausrede geworden. Und eine Moralkeule. So, wie eben noch die Beschwörung von bunter Vielfalt jeglichen Zweifel an einer Begrenzung von Migration wegwischen wollte, will heute der Friedenswunsch all diejenigen ins moralische Unrecht setzen, die sich für ein Erkämpfen des Friedens aussprechen.
Der Pazifismus wird so zum Ausweis des guten Gewissens, kaschiert in Wahrheit aber nur das Ruhebedürfnis einer Bevölkerung, die mit ihrer Schaffenskraft ans Ende gelangt zu sein scheint und sich nun im Rasten erschöpft. Frieden, das ist ein großes, ein heiliges Wort. Es kommt nicht preiswert, nicht mühelos zu uns, sondern verlangt nach einer Bereitschaft zum Opfer. Der christliche Glaube baut auf dieser Dialektik auf. Christus, dessen Geburt wir heute feiern, opfert sein Leben, damit wir Frieden finden können. Frieden – das ist keine Frage des Geschäfts, das ist eine Frage des Glaubens. Wer das nicht sieht, soll zu den Dealern gehen.
Wer sich in seinem persönlichen hehren Friedenswunsch angegriffen fühlt, sollte zumindest die intellektuelle Aufrichtigkeit besitzen, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Autor andere als den Leser treffend charakterisiert hat.
Mir persönlich spricht der Text aus der Seele, insbesondere der Vergleich zur Migrationskritik gefällt mir sehr gut.
Denn persönlich halte ich nicht alle AfD'ler für "Russenknechte", wie es mancher sogar auf r/DePi tut.
Dennoch ist die Russland- bzw. sog. Friedenspolitik der AfD für mich ein Paradebeispiel dafür, dass auch die Rechte sich mittlerweile dazu herablässt, schamlos Emotionspolitik zu betreiben. Emotionen schlagen (unbequeme) Fakten aus dem Feld; sich "gut" fühlen zu wollen, ersetzt den Wunsch, Verantwortung zu übernehmen.
Was ein Grund dafür ist, weshalb ich mich zusehends politisch heimatlos fühle.
Ja genau, DAS ist der Grund. Nicht die Jahrzehntelange Dämonisierung alles deutschen, alles männlichen, alles nationalen. Nicht das jahrzehntelange finanzielle Ausbluten zugunsten der Peripherie, wo der 'Exportweltmeister' dann beim Haushaltsvermögen am Ende der Tabelle rangiert noch hinter denen die er stets durchfütterte und mit Billionengaratien vor der Pleite bewahrte. Es war auch nicht die Flutung mit Drittweltlern bei gleichzeitiger Rekordabgabenlast, es war auch nicht der Sozialabbau bei gleichzeitigem Verprassen von Milliardenbeträgen ins Ausland, es war nicht die vorsätzliche Vernichtung der wenigen wertschöpfenden Wirtschaftszweige die wir hatten, es war die Preiserhöhung beim D-Ticket. Gratulation lieber Simon, für diesen Strohmann ist dir der Nannenpreis sicher.
Und nein, ich kann für meine "Freiheit" nicht kämpfen, denn dann tritt mir die Staatsmacht nachts die Wohnungstüre ein. Das einzige für was ich kämpfen kann: Lebenslanges Zahlschwein meiner eigenen demografischen Ersetzung zu sein. Weder Brüssel, noch Moskau, noch Washington haben Interesse an meiner "Freiheit", für die bin ich einfach nur mehr oder weniger verhaßtes Subjekt welches großangelegter Drittweltansiedlung im Weg steht. Sucht euch andere dafür, ich bin raus.
Weckt mich wenn jemand wirklich die Interessen Deutschlands vertritt, inklusiver nuklearer Wiederbewaffnung und einer Außenpolitik die nicht nur aus Arsch hinhalten für die Interessen aus Übersee besteht, aber das wäre ja 'Nazi'.
Perfekte Antwort auf den "DB-Ticket"-Schwachsinn! Ich denke, da sprichst du echt Vielen - nicht nur hier im sub - aus dem Herzen.
Wie du schon sagst, sollen es jetzt genau die verhassten deutschen Männer wieder richten. Die Frauen wurden trotz des ganzen Gleichstellungsgeschreis der letzten Jahre natürlich wieder vom Wehrdienst ausgenommen. Und die zugewanderten "Flüchtlinge", die schon ihre eigenen Länder nicht verteidigen wollten, sind im Ernstfall genauso schnell wieder weg wie sie gekommen sind. Ebenso wie die Doppelpass-Türken.
Und die Wichtigmacher aus Politik und Medien, die jetzt so fleißig die Kriegstrommeln gegen die herbeigeschriebene Gefahr durch den Ivan rühren, könnten sich ja schonmal im Voraus für den Einsatz an der Front verpflichten. Aber stattdessen sind da wahrscheinlich schon längst wieder einige schwer damit beschäftigt sich die Taschen in Maskendeal-Manier vollzustopfen.
Richtig, weder der Durchschnittsgünther, noch der Joe oder Igor will Krieg oder sich totschießen lassen, es sind die hohen Herren in den Hinterzimmern in Washington und Moskau. Ich habe kein Problem damit Teil eines Imperiums zu sein welches seine Interessen auch mit Zwang und Kampf durchsetzt, aber wir sind nur Wurmfortsatz eines anderen, Verheiz- und Finanzierungsmasse, mehr nicht. Meine Interessen, nationale Interessen interessieren schon lange nicht mehr.
Als letztes Jahr in den USA die Rekrutierungswerbung plötzlich sehr undivers wurde war jedem klar wohin die Reise geht :-)
Die Eliten haben hart dafür gekämpft Westeuropa zu libanonisieren, nun sollen sie damit arbeiten. Es hat einen Grund warum diese Länder fast immer nur Krieg im inneren führen, und selten nach außen: Es gibt schlichtweg keinen gemeinsamen Nenner, keine gemeinsamen Interessen mehr. Loyalitäten laufen dann entlang religiöser und ethnischer Linien. Der Stamm, die Sippe, der Clan, die Ethnie zählt. Der Staat ist irgendein Selbstbedienungsladen der lustige Stempel in irgendwelche Pässe drückt, mehr nicht.
Die Linken haben ihr Ziel erreicht: Von Deutschland wird kein Krieg mehr ausgehen, weil es in Zukunft weder geistig, moralisch, noch finanziell oder demografisch dazu in der Lage sein wird.
so etwas in der biederen FAZ? Wow.
Mir gefällt die Deutung des in-Frieden-gelassen-sein-Wollers. Das ist ein Bild, welches sehr gut auf die Generation 1964 mit ihrem KIA-SUV, der Doppelhaushälfte, den AIDA-Kreuzfahrten und der gewagten Frisurenmode passt.
Ich denke, dass dieses Bild viele Intellektuelle im Grabe rotieren lässt, von Kästner über Adorno bis hin zu Jünger.
Was der Autor mit Opfer und Glauben meint, ist natürlich nicht das tägliche Gebet oder eine Goldkette mit Kreuzchen, sondern Blut, Verwundung, Tod, Risiko, Ehre, Ambiguität, Kontingenz.
Werte und Vorbilder aus diesem Spektrum sollten in den jungen überaus sinnhungrigen und schon häufig postmateriellen Schichten der Gesellschaft eigentlich fruchtbares Land vorfinden, allein, es scheint tatsächlich eher ein Wohlfühlliberalismus zu grassieren, der allen alles erlaubt und das meiste gut findet. Wendt hat das mal Permissivität genannt.
Der Mensch ist Expansionistisch, und damit schon aus Prinzip auf Krieg gebürstet.
Ja, wir setzen einfach nur das muster fort das in der natur überall in jedem lebewesen vorkommt. Expansionismus ist eine Konsequenz des Lebens und nicht unnatürlich.
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Laut Nachkriegskonsens ist nicht mehr Satan das ultimative Böse, sondern Adolf Hitler. Hitler war der antiliberale Endgegner, und damit ist alles, was liberal ist, gut und alles, was illiberal ist, schlecht.
Tradition, Nationalität, Patriotismus, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sprache – all diese Konzepte sind in der Welt des Nachkriegsliberalen Zwänge und Schranken, die langfristig überwunden werden müssen. Wenn Freiheit und Entgrenzung der ultimative Wert einer Gesellschaft sind, dann muss eben immer weiter befreit und entgrenzt werden. Alles andere würde dieses Konzept ad absurdum führen, und wir sehen ja bereits, dass die Vertreter dieses Paradigmas auch vor autoritären Maßnahmen oder sogar Krieg nicht mehr zurückschrecken.
Denn genau wie für die Wokies in jedem afghanischen Migranten eigentlich ein freiheitsliebender Liberaldemokrat steckt, steckt für die Libcons und Neocons in jedem Russen ein freiheitsliebender Liberaldemokrat, den man nur herauskitzeln muss. Man muss ihn nur lange genug in das Feuer unserer Freiheitskanonen und Demokratieraketen laufen lassen, bis auch er erkennt, dass er von Adolf Putler verführt wurde – genau wie unsere Opas und Omas damals.
Und ja, da sind wir dann wieder bei der ewigen Schuldfrage, die von Libcons genauso propagiert wird wie von den Wokies. Denn der „eklige Deutsche“ zeigt auch jetzt wieder seine hässliche Fratze: faul, wohlstandsverwahrlost, ignorant, fremdenfeindlich, zurückgeblieben – so sitzt er auf dem Sofa in seiner Chemnitzer Plattenbauwohnung und verlangt nach „Frieden“? Wie kann er es wagen? Weiß er denn nicht, dass in der Ukraine auch seine Freiheit und sein Wohlstand verteidigt werden?
Dabei könnte alles so schön sein. Eine internationale Truppe von jungen Grafikdesignern und Programmierern, die ihre Beanies gegen den Helm tauschen und den Russen zurückschlagen. Denn seien wir mal ehrlich: Die hafermilchschlürfenden Hipsterboys in unseren Großstädten findet keiner mehr wirklich beeindruckend.
Hier könnte ein komplett neues Konzept von Männlichkeit entstehen: kosmopolitisch, stolz auf die Errungenschaften der EU, englischsprechend, grenzübergreifend, weltoffen – aber eben auch wehrhaft! Kriege haben schon immer zur Entstehung neuer Nationen beigetragen, und wer weiß, vielleicht entsteht auch hierbei irgendwann eine neue Nation: die europäische Nation!
Gehe nicht mit allem mit, aber das ist konstruktiver als vieles anderes was zu dem Thema geschrieben wurde.